Kinder-/Jugendhilfe-Radar: Angesichts der Gesundheitskrise werden mehr unterstützende Angebote für Kinder und Jugendliche benötigt
Die Verantwortlichen für Kinder- und Jugendpolitik in den Kantonen sind besorgt um das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen. Nach ihrer Einschätzung sollte die öffentliche Hand Massnahmen ergreifen, um die negativen Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche zu vermindern. Im Juni 2021 hatte die Taskforce Kinder und Jugend – die wegen der Covid-Pandemie Ende 2020 ins Leben gerufen worden war und Fachverantwortliche von Bund und Kantonen vereint – eine Umfrage durchgeführt: Die Verantwortlichen in den Kantonen sowie über 130 Leistungserbringer der Kinder und Jugendhilfe haben daran teilgenommen. Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die auch in andern Studien aufgezeigten Erkenntnisse: Kinder und Jugendliche erleben die Pandemie als Belastung, die Anzahl Personen, die bei Anlaufstellen und Hilfsangeboten um Unterstützung nachsuchen, ist tendenziell angestiegen, viele klagen über psychische Leiden.
Nach Einschätzung der Fachpersonen, die bei der Umfrage der Taskforce Kinder und Jugend im Juni 2021 befragt wurden, hat sich die generelle Lage der von ihnen betreuten Kinder und Jugendlichen
und deren Familien im Vergleich zur Situation vor der Pandemie eher verschlechtert. Etwas mehr als die Hälfte der befragten Personen ist der Meinung, dass es den Kindern und Jugendlichen, mit denen
sie zu tun haben, mittelmässig geht.
Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen als grösste Sorge bezeichnet
In der Reihe der Themen innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe, bei denen ein Handlungsbedarf besteht, haben die Befragten am häufigsten die Problematik der psychischen Leiden und Störungen bei Kindern und Jugendlichen genannt. Da im Bereich der psychischen Gesundheit schon seit langem ein Angebotsmangel herrscht, der durch die Pandemie noch verstärkt wurde, springen aktuell die anderen Leistungserbringer in solchen Situationen ein (z.B. Sozialarbeitende, Beiständinnen und Beistände etc.). Deren Angebote waren dadurch gefordert und etliche von ihnen geben an, dass ihr Angebot ausgebaut werden müsste, um der Nachfrage genügen zu können. Die aktuelle Gesundheitskrise hat zudem erneut gezeigt, dass der Kinder- und Jugendschutz zwingend als eine gemeinschaftliche Aufgabe verschiedener Akteure wahrgenommen werden muss.
Tendenziell mehr Fälle durch Leistungserbringer für Kinder- und Jugendhilfe betreut
Die Organisationen für Kinder- und Jugendhilfe wurden ausserdem über das Fallvolumen befragt. Fast die Hälfte der kantonalen Vertreterinnen und Vertreter der Leistungserbringer gab an, dass es im Vergleich mit der Situation vor der Pandemie ihrer Ansicht nach mehr Notfälle, mehr neue Fälle oder mehr Neueintritte zu bearbeiten gab. Die andere Hälfte sagte aus, dass es ungefähr gleich viele waren. Etwas mehr als ein Drittel der Vertreterinnen und Vertreter der Leistungserbringer gab an, dass es für sie schwieriger sei, ihre Zielgruppen zu erreichen als vor der Covid-Pandemie. Jugendliche (16-25 Jahre) und Familien in prekären Situationen sind ihrer Meinung nach die beiden am schwierigsten zu erreichenden Zielgruppen. An der im Juni 2021 von der Taskforce Kinder und Jugend lancierten Umfrage haben zahlreiche
Verantwortliche für Kinder- und Jugendpolitik aus 20 Kantonen teilgenommen (16 Deutschschweizer Kantone, 3 Westschweizer Kantone und das Tessin). Aus den teilnehmenden kantonalen Organisationen gingen 125 Fragebögen ein (110 Fragebögen aus 16 Deutschschweizer Kantonen und 15 aus der lateinischen Schweiz). Zudem haben sich 10 nationale Organisationen an der Umfrage beteiligt.
Die Umfrage, die weder eine wissenschaftliche Methodik verfolgte noch repräsentativ ist, eruierte bewusst die subjektive Wahrnehmung der Befragten. Sie zielte hauptsächlich darauf ab, sich ein allgemeines Bild der Lage zu verschaffen und zu erfahren, mit welchen Problemen die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe seit der Covid-Pandemie mehrheitlich konfrontiert sind. Gewisse Ergebnisse sind daher mit Vorsicht zu betrachten (z.B. die Zunahme neuer Fälle) und sollten mit wissenschaftlichen Studien oder Statistiken verglichen werden. Aufgrund der hohen Beteiligung kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die aus der Umfrage hervorgehenden Tendenzen die Situation realistisch widerspiegeln.