Vian Tobal (21) aus Binningen flüchtete mit ihrer Familie aus Syrien in die Schweiz. Mit elf musste sie selbstständig Bewerbungsformulare für Wohnungen ausfüllen.

  • Lehre als Bankangestellte

  • Wohnt mit ihren Eltern und ihrem Bruder in Binningen BL

  • Lebt von 2000 Franken

Titelbild - Porträt - Vian Tobal

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in einer Bank arbeiten werde. Ich bin sehr schlecht in Mathe, grottenschlecht. Aber als ich ein Praktikum in der Psychiatrie machte, fing ich an, die kaufmännischen Aufgaben zu übernehmen, und habe gemerkt, dass ich das gerne mache. Eigentlich mache ich das schon, seit ich klein war: Meine Eltern flüchteten 2009 aus Syrien in die Schweiz und konnten kein Deutsch. Ich hingegen habe die Sprache sehr schnell gelernt und bald die administrativen Aufgaben zu Hause übernommen.

Mit elf Jahren füllte ich Bewerbungsformulare für Wohnungen aus. Vier Jahre lang suchten wir nach einer Wohnung. Weil wir damals von der Sozialhilfe abhängig waren, erhielten wir nur Absagen. Das Traurige war, dass meine Eltern nicht einmal den Absagebrief verstanden.

Das einzige Wort, das sie kannten, war leider.

Immer wenn sie es in einem Brief fanden, sagten sie: ‹Es ist wieder ein leider gekommen.› 

Jetzt haben wir eine schöne Wohnung und ein Auto. Aber wenn die Steuern oder die Prämien kommen, erschüttert das jedes Mal das Familienbudget. Damit es reicht, bezahle ich mit meinem Lehrlingslohn die Hälfte der Prämien für die ganze Familie.»

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Die vielen Gesichter der Armut | Tagesanzeiger  (Abo Inhalt)

Disclaimer

Das Porträt von Vian ist erstmals erschienen in Das Magazin Ausgabe Nr. 12/24.

Porträts Familenarmut

Armut hat nicht ein Gesicht – sondern viele. 

In dieser Porträtreihe begegnen wir Menschen, deren Lebenswege unterschiedlich sind.  Ihre Geschichten zeigen, was Armut im Alltag bedeuten kann.